Zukunftsfähige Unternehmen brauchen Teams, die Mut zur Veränderung haben und Lust daran haben Neues auszuprobieren. In diesem Zusammenhang wird sehr schnell das Wort Fehlerkultur in den Mund genommen. Dabei ist diese zu kurz gedacht. Warum du deine Zeit lieber in die Stärkung des wechselseitigen Vertrauens lesen solltest, darüber schreibe ich hier. Du bekommst gleichzeitig auch Übungen und Techniken, um Vertrauen im Team und im Unternehmen zu stärken.
Vertrauenskultur ist Fehlerkultur 2.0
Erst letzte Woche hat mir eine meiner Kursteilnehmerinnen erzählt, dass sie im Unternehmen seit rund einem Jahr Failure Cafés veranstalten. Zunächst wurden die auch gut angenommen und waren gut besucht. Doch schon nach dem dritten Event nahm das Interesse ab.
„Wie stark ist das Vertrauen in eurem Unternehmen ausgeprägt?“ Diese Frage stellte ich ihr. Zunächst war die Teilnehmerin schnell gewillt zu sagen, ja klar. Wir vertrauen uns. Doch mitten im Satz hielt sie inne.
Nach einer Weile meinte sie: „Um ehrlich zu sein. Wir vertrauen uns nicht.“
Ich: „Woran erkennst du das?“
Sie: „Naja, wir bleiben immer an der Oberfläche. Die Fehler, die erzählt wurden, waren so kleine Fehler, dass wir nicht wirklich was daraus lernen konnten. Es waren Nichtigkeiten. Ich denke es hat sich niemand getraut über größere Fehler, geschweige denn vom Scheitern zu sprechen.“
Oder eine andere Situation, die du vielleicht auch kennst:
Eine Kursteilnehmerin: „Meine Teammitglieder halten sich in den Sprints nicht an Vereinbarungen. Sie sagen Sprintziele und Aufgaben zu, aber am Ende sind wir keinen Schritt weitergekommen.“
Ich: „Woran liegt das, was glaubst du?“
Sie: „Weil sie keine Zeit haben, weil andere Dinge wichtiger sind.“
Ich: „Warum übernehmen sie dann die Aufgaben und sagen sie zu?“
Sie: „Keine Ahnung. Wahrscheinlich trauen sie sich das nicht zu sagen.“
Ich: „Sie trauen sich nicht? Wovor haben sie Angst?“
Sie: „Das ich böse bin. Das ich ihnen dann beim nächsten Mitarbeitergespräch das vorhalte.“
Ich: „Wie stark vertraut ihr euch?“
Zwei verschiedene Beispiele, also unterschiedliche Symptome, aber dasselbe Krankheitsbild. Es mangelt an Vertrauen.
Wie gut ist das Vertrauen in deinem Team bzw. deinem Unternehmen ausgeprägt?
Lies bitte die folgenden Sätze durch und entscheide aus dem Bauch heraus, ganz spontan, welcher dieser Sätze nicht zutrifft.
- In unserem Team / Unternehmen diskutieren wir Ideen leidenschaftlich und ohne Zurückhaltung.
- Wir geben Stärken und Schwächen offen zu.
- Wir kennen uns gut und unterhalten uns auch über persönliche Details.
- Wir bekennen uns zu Fehlern und sprechen diese offen an.
- Wir weisen uns gegenseitig auf ineffiziente und unpassende Verhaltensweisen hin.
- Wir sprechen auch die schwierigsten und wichtigsten Themen offen an.
- Wir geben uns ehrliches, offenes und konstruktiv-kritisches Feedback.
Hand aufs Herz, kannst du aus voller Überzeugung alle dieser Punkte mit JA beantworten? Dann herzlichen Glückwunsch. Das Vertrauen scheint gestärkt zu sein.
Wenn nicht, dann solltest du am Vertrauen arbeiten.
Warum Vertrauen wichtig ist
- Schnelles Erkennen von Störfaktoren oder Konflikten, da man diese frühzeitig anspricht.
- Mitarbeiter fühlen sich anerkennt und beteiligt, weil sie Feedback geben können und sollen.
- Mitarbeiter trauen sich selbst mehr zu und übernehmen Verantwortung.
- Vertrauen ist die Basis von erfolgreichen Unternehmen.
- Ohne Vertrauen gibt es keine Veränderung.
- Ohne Vertrauen gibt es keine Innovation.
- Ohne Vertrauen gibt es kein ehrliches Feedback.
- Ohne Vertrauen teilt man die eigenen Erkenntnisse aus Fehlern nicht. Nein, ganz im Gegenteil. Man vertuscht Fehler oder schiebt sie auf andere.
- Ohne Vertrauen kann Veränderung und Fortschritt im Unternehmen nicht funktionieren.
Was ist eine Vertrauenskultur überhaupt?
Vertrauenskultur ist eine Unternehmenskultur, die von gegenseitigem Vertrauen in Führungskräfte, Mitarbeiter, Teams und das gesamte Unternehmen geprägt ist. Funktions- und hierarchieübergreifende, angstfreie Kommunikation auf Augenhöhe.
Aber wie fördert man Vertrauen im Unternehmen?
Insgesamt braucht es drei Phasen, um Vertrauen aufzubauen.
Phase 1: Kennenlernen
Du meinst schon alles über dein Team und deine Kollegen zu wissen? Du bist davon überzeugt, dass es da nichts zu bereden gibt? Das dachte letzte Woche auch ein Team in einem Workshop zum Thema Agile Leadership. Doch die Übungen haben überraschende Details an den Tag gebracht. Eine Teilnehmerin meinte: „Und ich dachte, dass ich dich kenne. Das ist die beste Übung überhaupt.“
Übung 1:
Was war passiert? Wir haben die Übung „2 Wahrheiten – 1 Lüge“ durchgeführt.
Dazu notiert jedes Teammitglied 2 Wahrheiten und 1 Lüge über sich auf Sticky Notes oder auf einem digitalen Whiteboard. Achtet dabei darauf, dass ihr überraschende Details verwendet.
Nun ratet jeder bei jedem was wahr und was falsch ist.
Übung 2:
Streue regelmäßig in Teammeetings Fragen ein, um sich noch besser kennenzulernen.
Lernt euch besser kennen. Dazu müsst ihr nicht über private Dinge sprechen, aber doch über persönliche.
Stelle folgende Fragen am Anfang eures nächsten Meetings oder Workshops:
- Was war dein erster Job?
- Was wolltest du als Kind werden? Also welchen Beruf wolltest du ausüben?
- Was war dein letztes Fettnäpfchen, in das du getreten bist?
Phase 2: Offenheit fördern
Erst, wenn Phase 1 durchlaufen ist – und bitte nicht missverstehen: Du solltest immer wieder Übungen der Phase 1 einfließen lassen – dann beginnt Phase 2.
Nun können schon erste Details ausgesprochen werden, die einen aus der Komfortzone holen.
Beispielsweise könntest du über folgende Fragen sprechen:
- Was ist deine größte Stärke, die uns im Team weiterhelfen wird?
- Was sollten wir über dich wissen, was unsere Zielerreichung beeinflussen kann?
- Was ist deine größte Schwäche, die uns als Team schaden könnte?
Du merkst schon, diese Frage ist schon nicht mehr so einfach. Jemand kann oder möchte diese dritte Frage nicht beantworten. Dann stelle eine dissozierende Frage. Die lässt einen Perspektivwechsel zu, ohne sich selbst bloßzustellen.
„Wenn unsere Büropflanze sprechen könnte, welche Schwächen in unserem Team würde sie nennen?“
Phase 3: Vertrauen bilden
In dieser Phase kannst du das Vertrauen im Team überprüfen. Übliche Teambuilding-Maßnahmen wie den Vertrauensfall (rückwärts mit geschlossenen Augen fallen lassen) oder den Blind Walk (mit verbundenen Augen von einer zweiten Person durch den Raum führen lassen) sind hier super geeignet.
Du kannst jedoch auch die Sätze von oben heranziehen und mit deinem Team gemeinsam reflektieren.
- Wie sieht dein Team das Thema Vertrauen?
- Was könnt ihr tun, um dieses zu stärken?
MERKE: Vertrauen lässt sich nicht über Nacht aufbauen, aber über Nacht verlieren.
Hast du eine spezielle Frage rund um Veränderung im Unternehmen, Innovation oder Agilität? Dann schreib mir gerne eine Nachricht an office(at)growth-factory.at und stelle sie mir. Gerne greife ich diese Frage in einem meiner nächsten Beiträge auf.
Liebe Grüße und viel Spaß beim Umsetzen,
Bianca