Innovation neu denken: Warum dein Verstand dich bei echten Durchbrüchen ausbremst – der ThinkFeel Your Future Ansatz von Ute Reingard Schmidt

In einer Welt voller Disruption und Komplexität stehen Innovationsverantwortliche vor einer paradoxen Herausforderung: Je dringender wir neue Lösungen brauchen, desto stärker klammern wir uns an bewährte Denkmuster. Wir analysieren, erstellen Business Cases, definieren KPIs – und wundern uns, warum echte Durchbrüche ausbleiben. Dabei übersehen wir eine fundamentale Wahrheit: Unser Verstand kann nur vorschlagen, was er bereits kennt.

Dieser Beitrag fasst die Erkenntnisse aus dem wunderbaren Interview mit Ute Reingard Schmidt zusammen. Höre dir gerne das Interview im Podcast an.

Das Innovationsdilemma: Gefangen in der Erfahrungsfalle

Lass mich dir eine persönliche Geschichte erzählen. Als langjährige Innovations- und Transformationsberaterin war ich stolz auf meinen analytischen Ansatz. Für jede Herausforderung hatte ich eine Methode, für jedes Problem eine strukturierte Lösung. Mein Werkzeugkasten war prall gefüllt mit Frameworks, Best Practices und bewährten Vorgehensweisen. Bis ich im Frühjahr 2024 vor einer Situation stand, die sich allen bekannten Lösungsmustern entzog.

Ich wusste genau, was ich erreichen wollte. Aber zum ersten Mal in meinem Leben half mir mein analytischer Verstand nicht weiter. Keine meiner bewährten Methoden brachte mich dem Ziel näher. Es war, als würde ich immer wieder gegen eine unsichtbare Wand laufen.

Diese Erfahrung machte mir klar, was Change-Mentorin Ute Reingard Schmidt so treffend formuliert: „Der Verstand kann nichts anderes hochholen und nichts anderes vorschlagen als das, was er schon einmal gelernt hat. Das ist ähnlich wie eine KI.“ Eine erschreckende Erkenntnis für jemanden, der gewohnt ist, alle Probleme durch analytisches Denken zu lösen.

Die Grenzen des rationalen Denkens

Warum stößt unser Verstand bei komplexen Innovationsherausforderungen an seine Grenzen? Die Antwort liegt in der Natur unseres Gehirns. Ähnlich wie eine KI arbeitet es mit Mustern und Erfahrungen aus der Vergangenheit. Bei inkrementellen Verbesserungen ist das höchst effizient. Wenn wir jedoch völlig neue Wege beschreiten müssen, wird diese Stärke zur Schwäche.

Denk an die großen Innovationen der Geschichte: Die erste Glühbirne, das erste iPhone, die Entwicklung der Quantencomputer. Keine dieser bahnbrechenden Innovationen entstand durch reines Fortschreiben des Bekannten. Sie erforderten einen fundamentalen Perspektivwechsel, ein Denken jenseits etablierter Muster.

Das Problem: In unseren Unternehmen herrscht ein massives Ungleichgewicht zwischen rationalen und emotionalen Aspekten. Wir haben, wie Einstein es ausdrückte, „den Diener auf den Thron gesetzt“ – den analytischen Verstand zum alleinigen Herrscher über Innovationsprozesse gemacht.

Der Eisberg der Innovation

Um zu verstehen, warum dieser einseitige Fokus uns limitiert, hilft das Bild eines Eisbergs. Der sichtbare Teil über der Wasseroberfläche repräsentiert unseren bewussten Verstand – rational, analytisch, methodisch. Doch der weitaus größere Teil liegt unter der Oberfläche: unser Unbewusstes, unsere Intuition, unsere emotionale Intelligenz.

In der klassischen Innovationsarbeit konzentrieren wir uns fast ausschließlich auf die Spitze des Eisbergs. Wir analysieren Marktdaten, erstellen Prototypen, testen und optimieren. Dabei ignorieren wir den gewaltigen Schatz an Informationen und Möglichkeiten, der unter der Oberfläche schlummert.

Diese vorbewussten Informationen sind wie Luftblasen in einem Mineralwasser: Sie steigen auf, wenn wir ihnen Raum geben. Doch dafür müssen wir lernen, über den Verstand hinauszugehen und andere Zugänge zu nutzen.

Die Kraft der Visualisierung

Ein eindrucksvolles Beispiel für die Macht dieser alternativen Zugänge liefert die Visualisierung. Wissenschaftliche Studien an amerikanischen Universitäten haben Erstaunliches gezeigt: Eine Gruppe, die zwölf Wochen lang nur mental Muskelübungen visualisierte, erzielte ähnliche Fortschritte wie eine Vergleichsgruppe im realen Krafttraining.

Für unseren rationalen Verstand klingt das unmöglich. Wie sollen bloße Gedanken physische Veränderungen bewirken? Doch genau hier liegt der Schlüssel: Unser Gehirn unterscheidet nicht zwischen real erlebten und intensiv visualisierten Erfahrungen.

Diese Erkenntnis können wir für Innovationsprozesse nutzen. Statt nur rational zu planen, können wir beginnen, gewünschte Zukunftsszenarien zu visualisieren – mit allen Sinnen und Emotionen. Das erschließt uns Zugänge zu Lösungen, die dem analytischen Denken verborgen bleiben.

Neue Wege zur Innovation: Der Think-Feel-Your-Future Ansatz

Wie können wir diese Erkenntnisse praktisch nutzen? Der Think-Feel-Your-Future Ansatz bietet drei konkrete Techniken, die rationales und intuitives Denken verbinden:

Die erste Technik beginnt mit einer scheinbar einfachen, aber revolutionären Frage: „Wie willst du es haben?“ – ohne jede Einschränkung. Diese Frage sprengt die Grenzen des gewohnten „Was ist unter den gegebenen Umständen möglich?“

Der Unterschied mag subtil erscheinen, ist aber fundamental. Die übliche Frage nach dem Machbaren aktiviert sofort unsere Erfahrungsfilter. Wir denken in Beschränkungen, in bekannten Mustern. Die Frage „Wie willst du es haben?“ öffnet dagegen den Raum für völlig neue Möglichkeiten.

Die zweite Technik ist das Future Scripting. Hier geht es darum, konkrete Zukunftsszenarien zu entwickeln – nicht als abstrakte Planspiele, sondern als lebendige, emotionale Erfahrungen. Wie fühlt sich die gewünschte Zukunft an? Welche Gespräche finden statt? Welche Atmosphäre herrscht?

Die dritte Technik, das A-Team-Tool, nutzt die Kraft der Atmung zur Synchronisation verschiedener Gehirnregionen. Ähnlich wie die Pendel mehrerer Uhren sich nach einiger Zeit synchronisieren, hilft bewusstes Atmen dabei, rationales und intuitives Denken in Einklang zu bringen.

Integration in den Innovationsprozess

Wichtig ist: Es geht nicht darum, rationales Denken durch emotionale oder intuitive Ansätze zu ersetzen. Vielmehr brauchen wir eine neue Balance, eine Integration beider Aspekte. In der Praxis bedeutet das, verschiedene „Units“ oder Teams zu bilden:

Eine Gruppe konzentriert sich auf die analytische Arbeit – Marktforschung, Datenanalyse, technische Machbarkeit. Eine andere Gruppe nutzt die emotionalen und intuitiven Zugänge – Visualisierung, Future Scripting, kreative Exploration. Die Kunst liegt darin, diese unterschiedlichen Perspektiven zusammenzuführen.

Diese Beidhändigkeit oder „Ambidextrie“ macht Unternehmen widerstandsfähiger gegenüber Veränderungen. Sie ermöglicht es, sowohl das bestehende Geschäft zu optimieren als auch radikal neue Wege zu erkunden.

Der Weg in die Praxis

Wie kannst du damit beginnen? Ein erster Schritt ist, dir bewusst zu machen, wo dein Verstand dich möglicherweise limitiert. Achte auf Sätze wie „Das haben wir noch nie so gemacht“ oder „Das geht nicht“. Oft markieren genau diese Momente den Startpunkt für echte Innovation.

Experimentiere dann mit den vorgestellten Techniken. Beginne vielleicht mit dem A-Team-Tool: Nimm dir dreimal täglich eine Minute Zeit für bewusstes Atmen. Beobachte, wie sich dein Zugang zu Problemen verändert.

Wage dich dann an Future Scripting. Entwickle konkrete Zukunftsbilder – zunächst vielleicht für ein kleineres Projekt. Erlaube dir dabei, über die Grenzen des „Realistischen“ hinauszugehen. Die konkrete Umsetzung kann später mit rationalen Methoden entwickelt werden.

Der Mut zur Veränderung

Innovation braucht Mut – den Mut, gewohnte Pfade zu verlassen und neue Wege zu erkunden. Das gilt nicht nur für die Lösungen, die wir suchen, sondern auch für die Art, wie wir nach ihnen suchen.

Meine eigene Erfahrung hat mir gezeigt: Wenn wir den Mut haben, über die Grenzen unseres rationalen Verstandes hinauszugehen, öffnen sich völlig neue Möglichkeitsräume. Probleme, die unlösbar schienen, bekommen plötzlich eine neue Perspektive.

Die Herausforderungen unserer Zeit – von der digitalen Transformation bis zum Klimawandel – werden wir nicht allein durch analytisches Denken lösen. Wir brauchen den Zugang zu allen unseren Ressourcen: Verstand und Gefühl, Analyse und Intuition, Erfahrung und Vision.

Der Think-Feel-Your-Future Ansatz bietet dafür einen praktischen Rahmen. Er ermöglicht es uns, die Kraft unseres ganzen Wesens für Innovation zu nutzen. Denn echte Durchbrüche entstehen dort, wo wir aufhören, nur mit dem Kopf zu denken, und anfangen, mit allen Sinnen zu innovieren.

Bist du bereit, diesen Weg zu gehen? Die Zukunft wartet nicht darauf, dass wir sie aus der Vergangenheit ableiten. Sie lädt uns ein, sie neu zu denken, zu fühlen und zu gestalten.

Und hier findest du Ute Reingard Schmidt

Hier findest du Ute auf LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/utereingardschmidt/

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