Seit ein paar Wochen beantworte ich Fragen meiner Newsletter-Leserinnen und Leser. Warum? Ich möchte Content und Tipps liefern, die auch wirklich gebraucht werden. Silke hat die Gelegenheit am Schopf gepackt und mir eine sehr spannende Frage stellt: „Bianca, wie kann ich unsere Projekte agil machen?“ Das klingt nun recht einfach: Mach Scrum und schon flutscht es, aber NEIN. Die besondere Situation bei Silke ist, dass sie in einem sehr traditionellen Umfeld tätig ist – in einer Bank. Da haben nun mal Meilensteinpläne und klassisches Projektmanagement Vorrang. Einfach mal Scrum zu machen wird hier nicht funktionieren. Daher liefere ich dir in diesem Blogbeitrag 6 Ideen, wie du mehr Agilität in klassisches Projektmanagement bekommst. Der Artikel ist dann für dich, wenn du auch weiterhin Meilensteinpläne für Kunden und Stakeholder brauchst.
6 Ideen, wie du mehr Agilität in klassisches Wasserfall-Projektmanagement bringst
2020 haben wir rund 100 Agile Coaches ausgebildet. Dabei legen wir nicht nur den Fokus auf agiles Projektmanagement, sondern auch auf Kommunikation, Konflikt, Teambuilding, Kreativität und Change. Denn nicht jedes Unternehmen jubelt laut, wenn es heißt: Lasst uns mal mit Scrum arbeiten.
Denn da gibt es zahlreiche Gründe, die gegen die Verwendung agiler Methoden sprechen:
Grund Nummer 1: Die Rahmenbedingungen erlauben kein agiles Vorgehen
Grund Nummer 2: Dokumentation ist wichtig
Grund Nummer 3: Fehlendes Wissen zu agilen Methoden und damit verbundene Missverständnisse
Grund Nummer 4: Agiles Arbeiten überfordert Führungskräfte und Mitarbeiter
Grund Nummer 5: Top Down Ansage: Ihr dürft nicht agil arbeiten.
Grund Nummer 6: Wir sind nicht davon überzeugt.
Grund Nummer 7: Unser Kunde kann damit nichts anfangen.
Na, welche Gründe sprechen in deinem Unternehmen gegen die Verwendung agiler Methoden?
6 Ideen für mehr Agilität – Was du tun kannst, wenn du weiterhin Meilensteinpläne und GANTT-Diagramme verwenden sollst
Ich selbst war lange Zeit in der Automobilindustrie tätig. Ja, wir hatten natürlich von KANBAN und dem Toyota Production System gehört, aber AGILITÄT? Nein, davon waren wir weit entfernt. Und dennoch ist so einiges möglich, was man bewirken kann.
Ja, wir hatten Meilensteinpläne und haben alles ganz genau in MS Project aufgezeichnet. Und dennoch hatte ich es als Projektleiterin in der Hand einige kleine Anpassungen zu machen. Und genau diese möchte ich dir nun als Anregung mitgeben.
Idee 1 – Scrum Boards im Team verwenden
Scrum Boards oder KANBAN Boards helfen bei der Synchronisation von Aufgaben innerhalb eines Teams. Auf einem Blick ist allen klar, woran gerade gearbeitet wird, was als nächstes ansteht und wo es zu Verzögerungen kommt.
Ja, wir hatten einen Projektplan und dennoch haben wir die Tage zwischen unseren Jour Fixe mit einem Scrum Board organisiert. Jede Woche fand ein Jour Fixe statt, indem wir unserem Auftraggeber und unserem Geschäftsführer einen Statusreport liefern mussten. Doch wer sagte, dass ich die Tage dazwischen nicht doch mit einem solchen Board organisieren kann?
Reflexionsfrage: Was spricht für ein KANBAN oder Scrum Board in deinem Projekt? Was ermöglicht dir ein solches Board? Wie könntest du es zumindest für dich umsetzen? Und wie für dein Team?
Idee 2 – Mit Stehungen den Tag beginnen
2008 haben wir begonnen täglich 15 Minuten Stehungen zu veranstalten. Von Scrum und den Daily Stand-up Meetings haben wir damals noch nichts gehört. Täglich um 8 Uhr haben wir uns im Büro des Geschäftsführers getroffen – alle Führungskräfte der ersten Stufe. Wenn jemand nicht dabei sein konnte, wurde eine Vertretung geschickt.
Unser Ziel war es den anstehenden Tag zu synchronisieren – also welche Produktionsaufträge stehen an, welche Tests mit neuen Spritzgusswerkzeugen, wo gibt es Qualitätsprobleme und was ist sonst noch wichtig für alle.
Mit diesen Informationen bin ich dann in mein Team zurückgekehrt und wir haben auf Teamebene eine solche Stehung gemacht – bei einer Tasse Kaffee. Somit war sichergestellt, dass mein Team alle Informationen hatte und gemeinsam haben wir die anstehenden Aufgaben priorisiert und abgestimmt.
Ist dann mal jemand krank geworden, haben wir die Aufgaben des anderen übernehmen können – weil wir wussten was ansteht.
Diese täglichen Meetings dauern maximal 15 Minuten und verfolgen eine 3-Fragen-Struktur:
- Was habe ich gestern gemacht, um unserem Ziel näher zukommen?
- Was werde ich heute machen, um unser Ziel zu erreichen?
- Welche Hindernisse sehe ich?
Diese Meetings kannst du auch in einem etwas längeren Abstand durchführen. So habe ich Teams mit Weekly und Tweekly. Weekly sind wöchentlich stattfindenden Stehungen und Tweekly finden zweimal pro Woche statt.
Reflexionsfragen: Wie könntest du das Prinzip der Stehung umsetzen? Mit wem? Was ist das Ziel? Wie kannst du auch den Sinn von solchen Meetings vermitteln?
Idee 3 – Regelmäßige Retrospektiven statt einem Lessons-Learned Workshop
Machst du schon Retrospektiven oder doch noch einen Lessons-Learned Workshop? Tja, tatsächlich habe ich in meinen Projekten vor über 10 Jahren mit sogenannten Lessons-Learned Workshops gearbeitet. Am Ende eines Projektes haben wir uns im Team rund 1-2 Stunden Zeit genommen, um die Learnings aus dem Projekt zu sammeln. Nun möchte ich noch ergänzen, dass unsere Projekte rund 12-18 Monate gedauert haben. Wenn also zu Beginn ein Learning war, dann muss ich nun ehrlicherweise zugeben, dass wir diesen Punkt nach 12 Monaten nicht mehr im Kopf hatten. Das hat natürlich dazu geführt, dass wir immer wieder die selben Fehler gemacht haben.
Viel besser finde ich da das Konzept der Retrospektiven. Was ist nun so eine Retrospektive? Am Ende eines jeden Sprints werden Prozesse und Methoden der Zusammenarbeit unter die Lupe genommen.
- Was ist gut gelaufen? Was soll weitergemacht werden?
- Was ist nicht so gut gelaufen? Wie können wir das im nächsten Sprint besser machen?
- Was wollen wir neu ausprobieren?
- Womit sollten wir aufhören?
Ist es denn nicht besser regelmäßig im Projekt die Fehler und Learnings zu reflektieren? Warum immer bis zum Ende warten? Du könntest beispielsweise jedes Jour Fixe mit einer kleinen Retrospektive abschließen.
Reflexionsfragen: Wie könntest du für einen regelmäßigen Austausch zu Fehlern und den Learnings daraus sorgen? Wie könntest du diesen Punkt fix in deine Besprechungsstruktur übernehmen?
Idee 4: Red Dot Meetings durchführen
Zentrale Werte des agilen Arbeitens sind Offenheit und Wertschätzung. Und ja, das sollte auch in klassischen Projekten klar sein. Doch oft erlebe ich, dass Konflikte ausgesessen oder Unstimmigkeiten im Team kaum angesprochen werden.
Du möchtest jedoch für einen offene Gesprächskultur in deinem Projekt sorgen? Dann probier mal die Technik des Red Dot Gesprächs aus.
Warum? Es dient zur frühzeitigen Klärung von Reibungspunkten und Konflikten und bietet einen sicheren Rahmen zur Klärung und Lösung von Unstimmigkeiten.
Wie funktioniert ein solches Gespräch? Sobald jemand im Team das Gefühl hat, dass es Unstimmigkeiten, Konflikte oder Reibungspunkte gibt, dann bittet diese Person um ein solches Gespräch und das wird von allen akzeptiert.
Wie läuft ein solches Red-Dot Gespräch ab?
Phase 1: Warum sind wir hier?
Phase 2: Wie erleben wir die Situation?
Phase 3: Welche Gründe haben zu dieser Situation geführt?
Phase 4: Was können wir tun, um diese Situation zu verbessern?
Phase 5: Was müssen wir vereinbaren, um Ähnliches in Zukunft zu vermeiden?
Phase 6: Folgende Vereinbarungen treffen wir dazu – Haltet diese fest.
Reflexionsfragen: Wie kannst du dafür sorgen, dass Unstimmigkeiten frühzeitig angesprochen werden? Wie sorgst du für ein sicheres Umfeld? Wie förderst du einen offenen Austausch? Wie kannst du das Vertrauen fördern, damit diese Dinge auch wirklich angesprochen werden?
Idee 5: Sorge für einen Informations- und Erfahrungsaustausch
Meist treffe ich in klassischen Projektorganisationen auf das typische Silo-Denken. Jeder ist sich selbst der nächste, scheint das Motto des Tages zu sein. Meist weiß man nicht, was der andere macht. Ja, vielleicht übertreibe ich gerade ein bißchen, aber Hand aufs Herz: Steht bei euch das gemeinsame Projektziel im Vordergrund oder doch eher welche Abteilung am besten aus der Sache rauskommt?
Welche Möglichkeiten es gibt, darüber habe ich in einem anderen Beitrag geschrieben –> Lies doch gleich mal welche 5 Ideen ich hier für dich habe.
Reflexionsfragen: Wie kannst du für einen Erfahrungsaustausch sorgen? Wie könntest du einen Roundtable oder ein Barcamp umsetzen? Wie stellst du einen Wissenstransfer in deinem Team sicher? Wie kannst du die Silos abbauen?
Idee 6: Etappenplanung als Bindeglied zwischen Projektplan und Sprints
In der Etappenplanung entsteht ein Backlog für die nächsten drei Monate. Dieser wird bereits in die definierte Anzahl von SPRINTs verteilt. Diesen Backlog nennt man Etappenplan. Also mal angenommen du möchtest in Sprints mit 14 Tagen Dauer arbeiten. Dann wären das 6 Sprints pro Etappe.
Nun stellst du dir folgende Fragen:
- Was muss laut Projektplan in den nächsten 3 Tagen fertiggestellt sein? Welche Meilensteine/Arbeitspakete sollen in den nächsten 3 Monaten erledigt sein?
- Was davon soll im ersten Sprint fertiggestellt werden? Was davon im 2.? Im 3.? Im 4.? Im 5.? Und im 6.?
Und danach wickelst du diese Sprints in der agilen Methodik ab.
Reflexionsfragen: Wie könnte eine solche Etappenplanung in deinem Projekt aussehen? Was genau könnte wann erreicht werden?