HR als Innovationsmotor: Wie People & Culture echte Zukunft gestaltet
„People & Culture“ statt „HR“ – dieser Trend ist mittlerweile in vielen Unternehmen angekommen. Doch der Name allein reicht nicht aus, wenn sich dahinter weiterhin vor allem Verwaltung, Lohnverrechnung und Zeiterfassung verbergen. In meinem Gespräch mit der HR-Expertin Natascha Dockall haben wir genau darüber gesprochen: Was HR heute wirklich leisten kann – und muss – wenn wir Innovation im Unternehmen ernst nehmen.
Das Interview gibt es in meines „Innovation Einfach Machen“ Podcasts anhören oder direkt auf YouTube.
Hinweis: Ein Gespräch mit Natascha Dockal – Blogbeitrag auf Basis der Podcastfolge „Innovation einfach machen“ mit Bianca Prommer
Die Rolle von HR: Zwischen Verwaltung und Wirksamkeit
Viele HR-Abteilungen stecken noch immer in einem administrativen Korsett fest. Natascha zitiert eine aktuelle Zahl aus dem Human Capital Trends Report 2024: 62 % der HR-Verantwortlichen in Österreich sagen, dass administrative Aufgaben Innovation blockieren. Ein erstaunlicher Wert – und gleichzeitig ein Weckruf.
Denn ursprünglich war HR dazu da, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, Entwicklung zu ermöglichen, Kultur zu gestalten. Davon ist heute oft nicht mehr viel spürbar. Aber genau das ist der Hebel: HR muss sich als aktive Mitgestalterin verstehen – und nicht nur als Dienstleisterin im Hintergrund.
HR als Raumöffnerin für Innovation
Innovation braucht Räume. Und HR kann genau diese Räume gestalten – sowohl kulturell als auch ganz praktisch. Ob Open Spaces, Barcamps oder interne Innovationswerkstätten: HR hat das Potenzial, Formate zu schaffen, in denen sich Menschen begegnen, austauschen und gemeinsam Neues denken können.
Natascha bringt es auf den Punkt: „HR muss den Mut haben, Raum zu halten – ohne gleich alles kontrollieren oder vorgeben zu wollen.“ Das bedeutet auch, sich mit Unsicherheit wohlzufühlen. Denn echte Innovation passiert nicht auf Knopfdruck – sie entsteht dort, wo Menschen Vertrauen, Zeit und die Freiheit zum Ausprobieren haben.
Die Kulturfrage: Vertrauen statt Kontrolle
Eines der großen Themen in unserem Gespräch war Vertrauen. Ohne Vertrauen wird Innovation nicht möglich sein – weder in Teams noch in der Gesamtorganisation. Das betrifft nicht nur Führungskräfte, sondern auch HR selbst.
Viele Mitarbeiter:innen trauen sich schlichtweg nicht, ihre Ideen einzubringen – aus Angst vor Ablehnung, Bewertung oder schlichtem Desinteresse. Und wer sich nie sicher gefühlt hat, eine eigene Meinung zu sagen, wird auch im Arbeitskontext nicht plötzlich innovativ agieren.
Deshalb braucht es:
- Geduld
- Kontinuität
- Und echtes Interesse am Menschen
HR kann hier eine Schlüsselrolle übernehmen – als Kulturbegleiterin, Coach, Moderatorin, Impulsgeberin. Und sie kann anfangen, indem sie selbst mutig vorangeht: Neue Formate testet, neugierige Fragen stellt, Verbindungen aufbaut.
Der Mensch im Mittelpunkt: Zuhören als Leadership-Kompetenz
Was braucht es also wirklich, um Innovation in Organisationen zu ermöglichen? Laut Natascha beginnt es mit etwas scheinbar ganz Einfachem: Zuhören ohne zu bewerten.
Nicht, um gleich die passende Antwort zu geben. Nicht, um es besser zu wissen. Sondern um wirklich zu verstehen: Was bewegt die Menschen im Unternehmen? Was brauchen sie? Was würden sie sich wünschen?
Natascha erzählt von einem konkreten Beispiel aus der Luxushotellerie, in dem genau dieses Zuhören den Ausschlag gegeben hat: Mitarbeitende äußerten den Wunsch, sich stärker im Bereich Nachhaltigkeit einzubringen. HR hat diesen Impuls aufgenommen, ins Unternehmen getragen – und daraus wurde ein umfassendes Nachhaltigkeitsprogramm, das bis zur Auszeichnung mit dem Österreichischen Umweltzeichen geführt hat.
Ein schöner Beweis dafür, dass HR nicht alles selbst machen muss – sondern vielmehr zum Ermöglicher werden kann.
HR als Brückenbauerin zwischen Innovation und Organisation
Ich habe im Interview auch das sogenannte „TraFo-Modell“ der HR Pioneers eingebracht – ein Reifegradmodell zur Agilität, in dem HR eine eigene Dimension einnimmt. Denn ohne HR keine Veränderung, ohne Veränderung keine Innovation.
Natascha ergänzt das um ein Bild: HR als „Wegbereiterin“. Als jemand, der Brücken baut zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitenden, zwischen Vision und Realität, zwischen Struktur und Kreativität.
Ein konkretes Beispiel, das wir besprochen haben: Eine HR-Expertin in einem großen Konzern, die sich aktiv mit dem Head of Innovation vernetzt hat. Gemeinsam haben sie Formate entwickelt, Weiterbildungen initiiert, Impulsvorträge organisiert. HR war nicht nur dabei – sondern mittendrin.
Zukunftsmut und KI: Von Verwaltungsaufwand zu Gestaltungsfreiheit
Ein weiteres zentrales Thema in unserem Gespräch: Künstliche Intelligenz. Nicht als Bedrohung, sondern als Chance.
Wenn HR es schafft, administrative Tätigkeiten zu automatisieren – etwa durch KI-gestützte Tools für Recruiting, Zeiterfassung oder interne Kommunikation – dann entsteht ein neues Potenzial: Mehr Zeit für Menschen.
Natascha betont aber auch: „Probieren ist das neue Planen.“ Es geht nicht darum, die perfekte KI-Lösung zu finden – sondern darum, überhaupt einmal anzufangen. Tools auszuprobieren. Erfahrungen zu sammeln. Und auch hier wieder: HR kann den Weg bereiten, als Vorbild vorangehen und andere mitnehmen.
Die neue HR-Rolle: Kulturgestalterin, Coach, Facilitator
Für mich persönlich war einer der stärksten Sätze im Gespräch dieser: „HR darf – und muss – Kulturgestalterin werden.“
Das bedeutet:
- Führungskräfte dabei unterstützen, kreative Räume zu schaffen
- Talente stärkenorientiert weiterentwickeln
- Formate ermöglichen, in denen Ideen entstehen dürfen
- Mitarbeitende zur Selbstwirksamkeit ermutigen
Und: HR muss nicht alles alleine tun. Vielmehr kann sie den Raum öffnen, damit andere mitgestalten. Natascha beschreibt HR als Facilitator – nicht als Wissensgeberin, sondern als Impulsgeberin. Als jemand, der Menschen zusammenbringt.
Viele HR-Verantwortliche, so erzählt sie, bilden sich heute gezielt in Moderationstechniken, Lego Serious Play oder Design Thinking weiter. Nicht, um selbst die Lösung zu liefern – sondern um gute Prozesse zu ermöglichen.
Rituale für die Arbeitswelt von morgen: Erfolge sichtbar machen
Zum Abschluss sprechen wir über ein Thema, das oft vergessen wird: Erfolge feiern. Gerade in Zeiten, in denen Kündigungen, Einsparungen und Restrukturierungen den Alltag prägen, braucht es Inseln der Wertschätzung.
Ein Beispiel aus einem Unternehmen: Dort wird ein Buzzer gedrückt, wenn ein wichtiges Projekt eingereicht wurde – alle feiern kurz gemeinsam, bevor es weitergeht. In einem anderen Unternehmen hängt eine große Glocke im Büro, die bei jedem erreichten Ziel geläutet wird.
Was banal klingt, hat große Wirkung: Es zeigt, dass Arbeit zählt. Dass Beiträge gesehen werden. Dass es sich lohnt, sich einzubringen. Und genau das fördert eine innovationsfreundliche Kultur.
Fazit: HR kann mehr. Viel mehr.
Das Gespräch mit Natascha Dockall hat gezeigt: HR steht an einem Wendepunkt. Weg vom reinen Verwalten – hin zum aktiven Gestalten. HR kann Kultur prägen, Innovation ermöglichen und Zukunft mitgestalten. Aber dafür braucht es:
- Mut – neue Wege zu gehen und Kontrolle abzugeben
- Zeit – um zuzuhören, zu reflektieren und zu lernen
- Vertrauen – in Menschen, Prozesse und Potenziale
Und: Es braucht HR-Expert:innen wie Natascha, die vorangehen, Impulse setzen, Räume schaffen.
Weiterführende Links & Ressourcen:
Über Natascha Dockal:
Natascha ist HR-Vernetzerin, Speakerin und Gründerin der Employer Excellence Boutique. Sie engagiert sich für eine menschenzentrierte Arbeitswelt, ist Sprecherin des steirischen HR-Arbeitskreises (WKO/UBIT) und Mitinitiatorin des Formats The Art of Not Knowing.
LinkedIn: Natascha Dockal | LinkedIn
Website: Employer Excellence & Leadership Branding | creartive
Podcast Die HR Coaches: https://open.spotify.com/show/7jGPlDS8Hq2RIQhYLRGl2G?si=psnpq3JkQXuIbJG9DLQTWA