Wenn Innovationsworkshops scheitern – und wie du es besser machst: Der ultimative Guide
Es ist Dienstagnachmittag, 14:30 Uhr. Du sitzt in einem stickigen Besprechungsraum, umgeben von Kollegen, die eigentlich gerade an wichtigen Projekten arbeiten sollten. Dein Chef steht vorne und verkündet mit einem erwartungsvollen Lächeln: „Nun seid mal alle schön kreativ!“ Die Stimmung? Etwa so inspirierend wie eine Steuererklärung. Willkommen im typischen deutschen Innovationsworkshop.
Die Geschichte eines gescheiterten Workshops – und was wir daraus lernen können
Thomas Huber, Abteilungsleiter im Produktmanagement eines mittelständischen Unternehmens, wollte alles richtig machen. Nach seiner letzten Zielvereinbarung hatte er die innovative Idee, einen Innovationsworkshop durchzuführen – die Ironie dieser Situation wurde ihm erst später bewusst. Sein Vorgesetzter, Herr Gustav, war zunächst skeptisch, ließ sich aber überzeugen. Schließlich hatte er in einem teuren Führungskräfteseminar gelernt, die Eigeninitiative seiner Mitarbeiter zu fördern.
Was dann passierte, ist ein Lehrbuchbeispiel dafür, wie Innovation nicht funktioniert. Aber bevor wir uns anschauen, wie es besser geht, lass uns verstehen, warum solche Workshops so oft scheitern.
Die sieben Todsünden gescheiterter Innovationsworkshops
1. Die „Mal eben schnell“-Mentalität
Thomas‘ erster Fehler war die hastige Planung. „Wir treffen uns nächsten Dienstag von 14 bis 16 Uhr“, schrieb er in seiner Einladung. „Bringt eure kreativsten Ideen mit!“ Seine Mitarbeiterin Sarah musste dafür einen wichtigen Kundentermin verschieben, und Michael hatte eigentlich eine dringende Deadline für das Quartalsreporting.
Bei einem führenden Technologieunternehmen in München erlebte ich das komplette Gegenteil. Der Innovationsmanager dort, nennen wir ihn Marcus, plant seine Workshops drei Monate im Voraus. „Innovation braucht mentalen Raum“, erklärt er. „Wenn die Teilnehmer zwischen Tür und Angel kreativ sein sollen, kannst du den Workshop gleich vergessen.“
Marcus blockt für seine Workshops immer drei volle Tage. Am ersten Tag passiert oft noch nicht viel Bahnbrechendes. „Da kommen die üblichen Verdächtigen, die offensichtlichen Ideen“, erzählt er. „Aber am zweiten Tag, wenn die Köpfe frei sind und die Gruppe zusammengefunden hat, dann wird es spannend.“ Der dritte Tag ist dann der Magie der Konkretisierung gewidmet.
2. Die Qual der fehlenden Vorbereitung
„Innovativ sein“ – das war Thomas‘ einzige Vorgabe an seine Teilnehmer. Keine Agenda, keine Vorarbeit, keine thematische Eingrenzung. Das Ergebnis? Fünf überforderte Mitarbeiter, die nicht wussten, wo sie anfangen sollten.
Lass mich dir von einem Gegenbeispiel erzählen. Ein mittelständischer Maschinenbauer in Baden-Württemberg macht es vor. Vier Wochen vor jedem Innovationsworkshop erhalten die Teilnehmer ein sogenanntes „Innovationspaket“. Maria Schmidt, die Innovationsmanagerin dort, hat das Konzept entwickelt. „Es ist wie eine Schatzsuche“, erklärt sie. „Wir geben den Teilnehmern Werkzeuge und Hinweise, aber sie müssen selbst auf Entdeckungsreise gehen.“
Das Paket enthält Marktanalysen, Kundeninterviews und – besonders wichtig – eine provokante These zur Zukunft der Branche. „Letztes Mal haben wir behauptet, dass in fünf Jahren niemand mehr klassische Werkzeugmaschinen kaufen wird“, schmunzelt Maria. „Du hättest die Reaktionen sehen sollen! Aber genau das wollten wir: Die Leute aus ihrer Komfortzone holen, sie zum Nachdenken und Diskutieren bringen.“
3. Der Fluch der falschen Umgebung
Thomas‘ Workshop fand im Besprechungsraum 4.15 statt. Du kennst den Typ: Neonlicht, ein müder Beamer, ein Whiteboard mit den Überresten der letzten Vertriebsbesprechung. „Hier soll Innovation entstehen?“, dachte sich Praktikantin Lisa, als sie den Raum betrat.
Kontrast: Ein Automobilzulieferer aus dem Schwarzwald hat einen alten Industriebau in eine „Ideenschmiede“ verwandelt. Hohe Decken, flexible Möbel, viel Tageslicht. „Der Raum macht etwas mit den Menschen“, erklärt der Innovationsleiter Peter Baumann. „Wenn du durch diese Tür gehst, weißt du: Hier darf ich anders denken.“
Aber nicht jedes Unternehmen kann sich eine eigene Ideenschmiede leisten. Ein Start-up aus Berlin zeigt, wie es auch anders geht: Sie mieten sich regelmäßig in verschiedene Co-Working Spaces ein. „Jeden Monat ein anderer Ort, eine andere Atmosphäre“, erzählt Gründerin Jana Weber. „Manchmal sind wir in einem hippen Loft, dann wieder in einem umgebauten Industriegebäude. Die wechselnde Umgebung regt das Denken an.“
4. Der Trugschluss der Methodenarmut
„Jetzt sagt mal der Reihe nach, was euch einfällt“ – mit diesen Worten startete Thomas die Ideensammlung. Ein klassischer Fall von Methodenarmut. Was er nicht bedachte: Das menschliche Gehirn braucht Reize und Werkzeuge, um aus gewohnten Denkmustern auszubrechen.
Bei einem Medizintechnikunternehmen in Hamburg erlebte ich einen Workshop, der das Gegenteil demonstrierte. Die Moderatorin, eine erfahrene Innovationsberaterin, begann mit einer überraschenden Übung: Sie ließ die Teilnehmer die Probleme ihrer Kunden als Superhelden-Geschichte erzählen. „Was würde Spider-Man tun, wenn er ein medizinisches Gerät entwickeln müsste?“
Was zunächst albern klang, entpuppte sich als genial. „Die Superhelden-Methode bricht das Eis“, erklärt sie. „Plötzlich denken die Leute in Möglichkeiten statt in Beschränkungen.“ Im Laufe des Tages folgten weitere Methoden: Von klassischem Brainstorming über Design Thinking bis zu systematischer Ideenbewertung. Wie ein DJ mixte sie die Techniken, immer passend zur Energie im Raum.
5. Das Gift der Hierarchie
In Thomas‘ Workshop saßen die Teilnehmer entsprechend ihrer Positionen im Unternehmen: Die beiden Teamleiter vorne, die Sachbearbeiter hinten, die Praktikantin am Rand. Niemand wagte es, dem Chef zu widersprechen. Als Thomas eine mittelmäßige Idee einbrachte, nickten alle zustimmend.
Ein Software-Unternehmen aus München zeigt, wie es anders geht. Dort gilt während der Innovationsworkshops eine strikte „No-Titles-Policy“. Selbst der CEO trägt ein Namensschild ohne Titel. „In den ersten fünf Minuten ist es noch etwas merkwürdig“, gibt Innovationsmanager Stefan zu. „Aber dann passiert etwas Magisches: Die Menschen beginnen, sich als Gleichgesinnte zu sehen.“
Bei einem ihrer erfolgreichsten Workshops hatte eine Junior-Entwicklerin die bahnbrechende Idee für ein neues Produkt. „Unter normalen Umständen hätte sie sich vielleicht nicht getraut, die Idee zu äußern“, vermutet Stefan. „Aber in dieser hierarchiefreien Atmosphäre konnte sie einfach sie selbst sein.“
6. Die Falle der fehlenden Nachbereitung
Der Workshop endete, die Flipcharts wurden fotografiert, ein Protokoll wurde verschickt – und dann? Nichts. Thomas‘ größter Fehler war vielleicht nicht der Workshop selbst, sondern was danach (nicht) geschah.
Ein Beispiel für exzellentes Follow-up erlebte ich bei einem Chemieunternehmen im Ruhrgebiet. Dort gibt es einen strukturierten „After-Innovation-Prozess“. Projektleiterin Anna erklärt: „Der Workshop ist nur der Anfang. Danach beginnt die eigentliche Arbeit.“
Direkt am Tag nach dem Workshop treffen sich die Teilnehmer zu einem virtuellen „Reality Check“. Jede Idee wird auf Herz und Nieren geprüft. „Wir sind dann brutal ehrlich“, sagt Anna. „Aber konstruktiv.“ Die vielversprechendsten Konzepte kommen in einen 90-Tage-Inkubator. „Das ist wie eine Mini-Ausgründung“, erklärt sie. „Die Teams bekommen Zeit, Budget und Mentoring, um ihre Ideen zu validieren.“
7. Das Versäumnis der fehlenden Innovationskultur
Thomas‘ letzter und vielleicht fundamentalster Fehler war die Annahme, dass ein einzelner Workshop ausreicht, um Innovation zu erzeugen. Innovation ist kein Event, sondern eine Kultur.
Ein mittelständisches Familienunternehmen aus dem Schwarzwald lebt vor, wie es gehen kann. Dort gibt es wöchentliche „Innovation Cafés“ – informelle Treffen, bei denen über neue Ideen gesprochen wird. Jeden Freitag haben die Mitarbeiter zwei Stunden „Innovations-Zeit“ – sie können an eigenen Projekten arbeiten oder sich mit Kollegen austauschen.
„Am Anfang dachten viele, das sei verschwendete Zeit“, erinnert sich Geschäftsführerin Christine Weber. „Aber mittlerweile sind diese Freiräume der Motor unserer Entwicklung.“ Das Unternehmen hat in den letzten drei Jahren mehr Patente angemeldet als in den zwanzig Jahren davor.
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Von der Katastrophe zum Erfolg: Thomas‘ Lernreise
Die Geschichte von Thomas hat übrigens ein Happy End. Nach dem gescheiterten ersten Workshop holte er sich Unterstützung von einem erfahrenen Innovationsberater. Gemeinsam entwickelten sie ein neues Konzept.
Heute, zwei Jahre später, ist seine Abteilung ein Vorbild für innovative Arbeitsweisen. Die Workshops finden vierteljährlich statt, sorgfältig vorbereitet und professionell moderiert. „Der wichtigste Lerneffekt war“, sagt Thomas rückblickend, „dass Innovation kein Zufallsprodukt ist. Es braucht die richtige Umgebung, die richtigen Methoden und vor allem: die richtige Haltung.“
Dein Weg zum erfolgreichen Innovationsworkshop
Innovation ist wie Gärtnern: Du kannst keine Blumen befehlen zu wachsen, aber du kannst die besten Bedingungen dafür schaffen. Mit der richtigen Vorbereitung, Methodik und Atmosphäre können Innovationsworkshops zu kraftvollen Katalysatoren für Veränderung werden.
Das Wichtigste ist vielleicht dies: Innovation braucht Mut. Mut, alte Muster zu durchbrechen. Mut, Hierarchien beiseite zu schieben. Mut, auch mal zu scheitern. Aber wie Thomas‘ Geschichte zeigt: Es lohnt sich.
Plane deinen nächsten Innovationsworkshop sorgfältig. Schaffe Raum für Kreativität. Nutze die richtigen Methoden. Aber vor allem: Glaube an die Kraft der kollektiven Intelligenz. Denn die besten Ideen entstehen oft dann, wenn Menschen in einer vertrauensvollen Atmosphäre zusammenkommen und gemeinsam an einer besseren Zukunft arbeiten.
Du brauchst Unterstützung bei deinen Workshops? Dann lass uns doch ins Gespräch kommen. Buche dir einen unverbindlichen Termin und wir schauen, wie ich dich unterstützen kann.